Tag 5, 28.02.
Die Entscheidung, im Embera Dorf Condota einen Tag Rast einzulegen, war genau richtig. Nachdem sich Alex und Carsten gestern vom Team verabschiedet haben, sind wir jetzt noch sieben Teilnehmer. Davon haben 3 Durchfall-Erkrankungen. Das ist zu viel. Antonia geht es noch am besten. Florian ist den ganzen Tag nur zu sehen, wenn er wie ein Zombie zum Wasser holen oder auf das gemeinschaftliche Toilettenhaus geht. Die Toilette ist nicht anderes ein ummauertes Loch. Hier ist es von Vorteil, wenn man lange die Luft anhalten kann. Am meisten Sorgen macht Tobi. Sein Erbrochenes war teilweise mit Blut versetzt. Nach Beratung und sehr detaillierter, medizinischer Analyse durch Rick, entschied er sich bereits am Vorabend, Penicillin zu nehmen. Was anderes scheint nicht wirklich zu helfen.
Zum Glück geht es mir gut und ich nutze die Möglichkeit, Kontakt mit den Embera aufzunehmen. Ich fange mit den Kindern an. Im Dorf gibt es einen kleinen Kiosk. Eine Embera verkauft quasi aus dem Haus ein paar Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs. Es gibt auch Lutscher. Also signalisiere ich den Kids, dass sie mir folgen sollen und versorge alle mit Lutschern. Von jetzt an lächeln die Kleinen, wenn sie mich sehen.
Ich komme mit Sabien in Kontakt. Er ist der Fischer des Dorfs. Er bietet uns an, dass er uns zeigt, wie man im Fluss fischt. Gerne folge ich der Einladung. Sabien hat eine kreisrunde Taucherbrille und einen angespitzten Metallstab, der mit einem Gummiband versehen ist. Es ist eine einfache Harpune. Er zeigt uns, wie er es macht und schon nach wenigen Minuten hat er einen Krebs erwischt. Jetzt soll ich es probieren. Auch Joe traut sich. Es ist gar nicht so einfach. Die Strömung im Fluss, Fischer anpeilen und aufpassen, dass man Joe nicht aus Versehen trifft. Nach einiger Zeit wird man etwas sicherer. Ich erwische einen kleinen Welz. Er ist viel zu klein und sofort tut es mir leid. Der Jagdinstinkt hatte mich im Griff. Ich versuche, etwas Größeres zu erwischen, aber die Fische sind alle recht klein. Vermutlich haben sie hier im Moment alles Brauch- und Essbare bereits gefangen. Trotzdem, eine coole Erfahrung.
Wieder in Condoto frage ich, ob es möglich sein, sich mit der traditionellen Bemalung der Embera versehen zu lassen. Ich werde aufgefordert, mit in ein Haus der Indigenen zu kommen. Dort schaukeln zwei Säuglinge friedlich schlafend in der Hängematte, ein Mädchen füttert ein in einer Schüssel sitzendes Papageien Baby, drei Frauen unterhalten sich, während eine Fleischstücke zertrennt und schneidet. Eine andere mixt aus einer giftigen Frucht und Asche eine Farbe und schneidet ein Holzstück so zurecht, dass es etwa Streichholzgröße erreicht. Sie taucht den Span in die Farbe und beginnt mit der Bemalung. Es sind einfache „Tattoos“, die nach wenigen Tagen verschwinden, so hoffe ich zumindest. Ich bekomme noch eine leckere Palmfrucht angeboten, die mit Salz gegessen wird. Sehr lecker. Mit meinem sehr schlechten Spanisch unterhalten wir uns auf einfachem Niveau. Ich erzähle, woher ich komme, über meine Familie und meinen Beruf. Sie sind sehr interessiert. Auffällig ist die Entspannung, die alle ausstrahlen. Obwohl es vom Haus einige Meter steil hinunter geht, keine Befestigung die Randbereiche schützt, turnen und klettern verschiedene, sehr kleine Kinder herum. Keine Warnung, kein Umsorgen oder Ermahnen. Man lässt sie einfach und es scheint ok zu sein. Wieder etwas, dass man hier lernen kann. „Bleib mal lockerer, Klaus.“
Ich bedanke mich, gebe ein paar Dollar und laufe durchs Dorf. Es fällt auf, wie viel Müll herum liegt. Plastik, Dosen und sogar ein Schildkröten Panzer liegen herum. Der artige Deutsche will am liebsten sofort mit dem Aufräumen beginnen. Ich frage Rick, ob es die Embera nicht stört, wenn der Müll überall herumliegt. Er erklärt mir, dass sie in ihrer Kultur gewohnt sind, alles was sie gebrauchen auch wieder in die Natur werfen zu können. Das war Jahrhunderte so. Allerdings lernen sie mittlerweile auch, dass die Verpackungen der Zivilisation nicht so schnell wieder zu einem Teil der Natur werden. Das Verhalten der Embera zu kritisieren steht mir als Europäer gar nicht zu. Der CO2-Fußabdruck eines Embera beträgt nur ein Bruchteil des unseren. Wir haben die Gärten schön sauber und entsorgen dafür unseren Müll in Ghana und Malaysia. Die Embera essen selten Fleisch, wir konsumieren es, als käme es aus dem Wasserhahn. Würden wir alle so leben wie die Indigenen, einschl. des im Dorf herumliegenden Mülls, es ginge dem Planeten deutlich besser.
Einige Mädchen kommen auf mich zu und sagen, dass sie meine Hilfe brauchen. Ich laufe ihnen hinterher und werde zu einer Wiese geführt auf der einige Jungs mit einem alten, platten Fußball spielen. Sie machen mir klar, dass sie noch nie ein Tor gegen die Jungs geschossen haben. So geht das natürlich nicht. Ich verstärke die Mädels und nach einer Energieleistung und mit vollem Einsatz gelingt es uns. Die Jungs lernen, dass auch sie schlagbar sind. Wir klatschen uns ab und ich gehe erstmal duschen. Dusche heißt eine Regentonne mit Wasser in der ein Gefäß schwimmt, mit dem man immer wieder Wasser über den Körper gießt. Mir reicht das.
Die Nacht verbringe ich in der Hängematte, die allerdings in der Küche einer Eingeborenen Familie hängt. Dort wurden Kyrill und ich untergebracht. Ein Affe kommt uns besuchen und macht sich über eine der in der Küche herumliegenden Bananen her. Nachts flattern einige Fledermäuse ständig um mich herum und jagen Insekten. Als ich einmal aufstehe, die Stirnlampe einschalte, um mich ein wenig zu erleichtern, entdecke ich, dass im ganzen Dorf jede Menge Frösche herumlaufen. Teilweise größer als meine Hand. Sie kümmern sich um die Kakerlaken, wie ich erfahre. Nett von ihnen.
Früh schlafen wir ein. Ab morgen geht es in die 2. Hälfte der Tour. Da warten dann die Grenzerfahrungen.