Ich habe schlecht geschlafen. Die Nacht war überraschend kühl. Die Hängematte und ein sehr dünner Tropenschlafsack helfen nicht viel. Außerdem überlegt man sich, mitten im Dschungel hängend, zweimal, ob man nachts mal kurz an den Baum geht und seine Notdurft verrichtet. Aus dem Schlafsack, aus der Hängematte, Stirnlampe auf, Schuhe nach ungewünschten Bewohnern absuchen, langsam gehen und gucken, wo man hintritt. Danach ist man hellwach und schläft so schnell nicht wieder ein.

Zum Frühstück bestätigt Alex, dass er die Tour abbrechen wird. Eine mutige und vernünftige Entscheidung. Viele würden aus Angst vor der Enttäuschung die Gefahren ignorieren und weitergehen. Antonia geht es zum Glück etwas besser. Dafür macht mir Tobi umso mehr Sorgen. Es ist schlimmer geworden. Er muss sich mehrfach übergeben, will aber nicht abbrechen. Nun meldet sich auch Florian, ein total netter ITler aus Frankfurt. Er hat ebenfalls Symptome und sieht aus, als hätte er die Nacht mit Udo Lindenberg durchgemacht. Ich beobachte Carsten. Er will weitermachen. Das gefällt mir gar nicht.

Heute gehen wir über 12 Kilometer durch das dichte Grün. Es ist der bisher anstrengendste Tag. Viele, sehr steile Anstiege. Höhenmeter zu genüge. Carsten ist kaum noch ansprechbar. Wirkt abwesend und wirft sich bei jeder Gelegenheit längsseits auf den Boden. Das ist schon wegen der Insekten und Ameisen keine gute Idee. Rick und Kyrill trommeln alle zusammen und weisen noch einmal sehr deutlich darauf hin, dass im nächsten Dorf, das wir erreichen werden, die letzte wirklich gut Gelegenheit besteht, zu evakuieren. Endlich ist es soweit. Auch Carsten sieht ein, dass es absolut keinen Sinn mehr macht. Er gibt seinen Widerstand auf kündigt seinen Ausstieg an. Es ist nichts gegen ihn persönlich. Rückblickend auf die Tour weiß ich jedoch, dass wir ihn niemals bis ins Ziel gebracht hätten.

Dennoch muss die Distanz zum Dorf Condoto geschafft werden.  Wir machen immer wieder Pausen, um den Geschwächten Zeit zum Verschnaufen zu geben. Viel trinken ist jetzt noch wichtiger.
Ich beobachte jede Menge Blattschneiderameisen, die sich eine Art Autobahn durch den Waldboden schaffen. Kein Laub, der ganze Weg komplett sauber und glatt als wär eine Straßenkehrmaschine drüber gefahren. Beeindruckende Tier. Ihre Pfade kreuzen immer wieder unseren Weg und ihre tänzelnden Bewegungen mit abgetrennten Blattteilen, die sie in den Bau schleppen, um damit Pilzkulturen zu züchten, von denen sie sich ernähren, werden zum gewohnten Anblick.

Wir erreichen den Punkt, von dem Alex und Carsten evakuiert werden sollen. Ein Kanu der Embera wartet bereits auf sie. Rick hat es mit dem Satellitentelefon organisiert. Ein paar Hütten der Embera säumen die Anlegestelle. Als wir dort ankommen übergibt sich Carsten vor Anstrengung direkt vor einer der Hütten. Zum Glück reagieren die Indigenen so, als wäre es das normalste der Welt, dass da ein Gringo aus dem Dschungel kriecht und ihnen vor die Tür kotzt. Alex und Carsten, begleitet von Segundo machen sich auf den Weg. Wir verabschieden sie und hoffen, dass sie gut in Panama City ankommen.

Wir entscheiden, im Dorf Condoto einen Tag Pause zu machen, damit die Kranken sich erholen können. Außerdem müssen wir warten, bis Segundo zurück kommt.

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