Um 4 Uhr früh werde ich von zwei Hähnen geweckt, die sich in aller Herrgottsfrühe lautstark duellieren. Das macht aber nichts. Wenn man abends zwischen 20 und 21 Uhr schlafen geht, kann man auch um 4 Uhr aufstehen. Der Tag beginnt mit guten Nachrichten. Antonia geht es wieder richtig gut und auch Florian und Tobi fühlen sich besser. Die Medikamente wirken und bringen sie wieder zurück in die Spur.

Wir packen unsere Sachen und bekommen Frühstück im Dorf. Es gibt Haferbrei, Würstchen und frittierte Teigtaschen, die für uns bereitgestellt werden. Als wir uns kurz nach Tagesanbruch auf den Weg machen ist das ganz Dorf auf den Beinen, um uns bei der Abreise zu beobachten. Sie winken nicht, lachen nicht, es gibt keine Verabschiedung. Irritiert frage ich Rick ob wir uns falsch verhalten oder sie auf irgendeine Art verärgert haben. Er verneint und erklärt mir, dass solche Dinge wie „Bitte“, „Danke“ und Verabschiedungen bei den Embera keine große kulturelle Rolle spielen. Das beruhigt mich ein wenig.

Heute haben wir 17 km Dschungel vor uns. Mit dem 6. Tag beginnt der deutlich härtere Teil der Tour. Mehr Kilometer und mehr Höhenmeter sind zu absolvieren. Die Zeit für Pausen wird kürzer. Aus dem Dorf Condoto begleiten uns 2 Embera, die Rick dabei unterstützen sollen, den Weg zum Pazifik zu finden. Marco und Calbin. Da wir durch ihr Schutzgebiet laufen, ist es ebenfalls von Vorteil, von Embera begleitet zu werden. Wir werden uns mit den beiden, im Rahmen des emotionalen Horizontes der Embera-Kultur, prächtig verstehen und anfreunden. Rick macht ungewöhnlich viel Tempo und fordert uns. Mehrfach beobachte ich ihn, wie er auf seine Technik schaut und anscheinend Informationen liest. Ich spreche ihn an. Er hält an und berichtet, dass Regen auf uns zukommt. Das sei für die aktuelle Trockenzeit sehr ungewöhnlich. Davon unbeeindruckt denke ich mir, dass es doch erfrischend und abkühlend sei, wenn mal ein Schauer auf uns nieder geht. Ich habe ja keine Ahnung. Schon kurze Zeit später wird mir klar, was Rick beunruhigt hat. Der Himmel öffnet schlagartig seine Schleusen. Zunächst wird es einfach laut. Man hört ein Rauschen aus dem Blätterdach. Dann bahnt sich das Wasser seinen Weg. Unvorstellbare Mengen prasseln auf uns nieder. Zunächst sind wir alle fröhlich machen Späße und singen im Regen. Allerdings hat der Regen drei Konsequenzen:

  1. Die Flüsse schwellen an, so dass das Wasser bei den häufigen Durchquerungen nicht nur mit zum Knie, sondern nun teilweise bis zur Hüfte und darüber fließt. Mit der Strömung wird es dann nicht einfacher, die Fluten zu durchlaufen.
  2. Die Rucksäcke und Inhalte saugen das Wasser auf und aus den rund 25 Kilogramm Gewicht werden schnell ein paar mehr.
  3. Der Boden wird matschig und sehr rutschig. Man kommt schwerer voran und jeder Stein, jeder Baum und jede Wurzel sind nun extrem glatt.

Das führt dazu, dass wir noch vorsichtiger gehen müssen. Es gibt keine richtigen Weg. Überall Laub und darunter rutschige Steine und Wurzeln. Wenn wir durch die Flüsse gehen, können wir aufgrund des starken Regens nun überhaupt nicht mehr erkennen wie der Untergrund beschaffen ist. Man geht wie auf rohen Eiern und ist sehr froh, die Trekking Stöcke als 3. und 4. Bein dabei zu haben.

Unser Camp erreichen wir am späten Nachmittag. Eine tolle Stelle, auch wenn wir uns den Weg zwischen Fluss und Lager mit der Machete erstmal frei schlagen müssen.
Leider ist meine Hängematte und vor allem auch mein Tropenschlafsack naß. Es schläft sich etwas unangenehm und ich versuche, die Feuchtigkeit mit meiner Körperwärme loszuwerden. Das dauert bis in die Morgenstunden und sorgt für ein erstes Frösteln im Regenwald. Damit hatte ich auch nicht gerechnet.

Videos